Neues Beweisrecht
Ab dem 1. Januar 2025 ändert sich für die Prozessbeteiligten einiges
An diesem Tag tritt das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Beweisrechts in Kraft. Es enthält einige Änderungen, die bereits durch die Rechtsprechung umgesetzt worden sind. Ansonsten bleiben die Regeln zur Beweislast und zur Darlegungslast unverändert. Die neue gesetzliche Regelung erfordert daher von den Parteien vor allem einige praktische Anpassungen. So werden die Parteien beispielsweise darauf achten müssen, ihre Beweise vor dem Verfahren bereitzuhalten. Es ist daher zu erwarten, dass die Zahl der Anträge auf vorzeitige Beweiserhebung - wie z. B. Beifügung von Beweismitteln, Aufzeichnung und vorläufige Vernehmung von Zeugen - zunehmen wird. Im Folgenden wird eine Auswahl der Änderungen näher erläutert.
Beweise müssen rechtzeitig vorbereitet und vorgebracht werden
Schon nach der alten Regelung verpflichtete Artikel 21 Rv („Wahrheitspflicht“) die Parteien, die für die Beurteilung des Falles relevanten Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß vorzubringen. Dieser Artikel wurde um zwei Absätze ergänzt. Der neue Absatz 2 besagt nun, dass die Parteien alle Informationen sammeln und vorlegen müssen, die ihnen vernünftigerweise zur Verfügung stehen und die nach vernünftigem Ermessen für die Beurteilung relevant sind. Tun die Parteien dies nicht, kann das Gericht gemäß dem neuen Artikel 3 die Schlussfolgerungen ziehen, die es für angemessen hält.
Der neue Artikel 196 Rv sieht vor, dass Anträge auf vorläufige Beweise vor Beginn des Verfahrens gestellt werden müssen.
Für alle diese Ersuchen gelten dieselben Ablehnungsgründe: Die beantragten Informationen sind nicht hinreichend bestimmt, es besteht kein ausreichendes Interesse, es liegt ein Konflikt mit dem ordentlichen Gerichtsverfahren vor, es liegt ein Ermessensmissbrauch vor und/oder es liegen andere gewichtige Ablehnungsgründe vor.
Der Richter
Die seit langem geübte Praxis, wonach der Richter das Verfahren leitet, ist nun gesetzlich verankert.
Die mündliche Verhandlung
Nach dem neuen Gesetz ist es - sofern der Richter zustimmt - möglich, Zeugen zur mündlichen Verhandlung zu laden (neuer Artikel 166 Absatz 1 Rv). Im Übrigen kann der Richter nach wie vor gebeten werden, für die Vernehmung von Zeugen eine gesonderte Verhandlung anzuberaumen.

Recht auf Einsichtnahme
Die Einsichtnahme kann nur auf Antrag beantragt werden (neue Artikel 194 - 195a Rv). Damit einem solchen Antrag stattgegeben werden kann, muss (1) ein Rechtsverhältnis und (2) ein ausreichendes Interesse an (3) „bestimmten Informationen“ über dieses Rechtsverhältnis bestehen. Im alten Text war von „bestimmten Aufzeichnungen“ die Rede. Der neue Text umfasst nun also auch digitale Daten. Die in der Rechtsprechung bereits anerkannte Möglichkeit, Daten bei einem Dritten, der nicht Partei des Rechtsverhältnisses ist, einzusehen, ist nun ebenfalls gesetzlich verankert (§ 195a Rv).
Beweissicherung und Protokollierung von Feststellungen
Die in IP-Fällen bereits bekannte vorsorgliche Beschlagnahme von Beweismitteln wurde bereits in der Rechtsprechung auch außerhalb von IP-Fällen angewendet. Diese Möglichkeit ist nun auch im Gesetz verankert (§§ 205 - 206 Rv). Was ein solcher Beschlagnahmeantrag erfüllen muss, steht in § 205 Rv, und § 206 Rv regelt, wie die Beschlagnahme anschließend durchgeführt werden muss.
Schließlich sieht Artikel 207 Rv die neue Möglichkeit vor, den Richter in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren um die Erlaubnis zu bitten, ein amtliches Protokoll anzufertigen und damit bestimmte Tatsachen an einem nicht öffentlich zugänglichen Ort festzuhalten.
“Das neue Beweisrecht schreibt vor, dass alle Beweise im Voraus gesammelt und eingereicht werden müssen”
Schlussfolgerung
Die Änderung des Gesetzes hat die Positionen der Parteien und die Rolle des Gerichts weiter geprägt. Für die Parteien bedeutet dies, dass ihr Fall vor Einleitung des Verfahrens gut vorbereitet sein muss und die Beweismittel bereitstehen müssen. Zusammen mit einer Reihe zusätzlicher Möglichkeiten für den Richter stellt dies sicher, dass der Richter letztlich auf der Grundlage einer möglichst vollständigen und korrekten Tatsachengrundlage entscheiden kann.
